Die aktuellen Erfolge von KI‐Systemen wecken bei vielen Kommunalverwaltungen hohe Erwartungen: Sprachassistenten beantworten Fragen rund um die Uhr, Algorithmen identifizieren Förderbetrug, Chatbots entlasten Servicecenter. Einige der jüngsten Beispiele aus meinem Feedly‐Stream zeigen diese Dynamik:
-
In mehreren deutschen Kommunen sollen Voicebots am Bürgertelefon für schnellere Antworten sorgen. Laut Kommune21 werden sie jedoch nur dann wirksam, wenn Zuständigkeiten, Schnittstellen zu Fachverfahren und der Datenschutz im Vorfeld geklärt sind (kommune21.de).
-
Ein anderes Projekt, über das Kommune21 berichtet, widmet sich der Standardisierung der Anbindung von Fachverfahren an Dokumentenmanagementsysteme – ein eher unscheinbares Thema, das aber die Grundlage für skalierbare Digitalisierungsprojekte bildet.
-
In Potsdam setzen Stadt und Stadtwerke eine urbane Datenplattform ein, die kontinuierlich weiterentwickelt wird. Solche Plattformen ermöglichen datenbasierte Entscheidungen und zeigen, dass Digitalisierung als agile Organisationsaufgabe verstanden wird.
Diese Beispiele machen deutlich: Künstliche Intelligenz kann Verwaltungshandeln unterstützen, ist aber kein Allheilmittel. Statt blind auf neue Technologien zu setzen, müssen Verwaltungen ihre Strukturen, Prozesse und die Kultur verändern.
KI ist Werkzeug, nicht Wundermittel
Der Hype um KI führt leicht zu der Vorstellung, dass intelligente Systeme strukturelle Probleme lösen könnten. Eine Studie der Beratung Capgemini zur öffentlichen Verwaltung beschreibt diese Erwartung als gefährlich: KI sei „kein Allheilmittel für die Herausforderungen des öffentlichen Sektors“; sie entfaltet Wirkung nur dann, wenn Verwaltungen ihre Aufgaben und Prozesse verstehen und klar definieren (capgemini.com).
Forschungsarbeiten zur digitalen Transformation bestätigen das: Digitale Verwaltungsinnovation besteht nicht nur aus der Automatisierung bestehender Aufgaben, sondern aus einem fundamentalen Wandel von technischen und sozialen Systemen. Eine reine „Digitalisierung“ analoger Prozesse führt selten zu besseren Ergebnissen; erforderlich ist eine Neuorganisation von Prozessen, Rollen und Kompetenzen (pmc.ncbi.nlm.nih.gov).
Der pandemiebedingte Digitalisierungsschub hat gezeigt, dass Technologie allein nicht ausreicht. Während des Lockdowns änderten sich Einstellung und Arbeitskultur vieler Beschäftigter; Homeoffice, hybride Arbeitsformen und neue Führungsmodelle wurden erprobt. Dieses Beispiel zeigt, dass Transformation primär ein sozialer Lernprozess ist.
Organisationsentwicklung vor Technikbeschaffung
Damit KI‐Lösungen wirken, braucht es eine stabile Organisationsbasis:
-
Prozesse hinterfragen und standardisieren. Projekte wie die oben erwähnte Standardisierung der Schnittstellen zwischen Fachverfahren und DMS belegen, dass fehlende Standards große Hemmnisse darstellen. Ohne saubere Prozesse verpufft der Nutzen von KI.
-
Klare Zuständigkeiten und Governance. Voicebots im Bürgerservice können Bürgerinnen und Bürger entlasten, aber nur, wenn Verantwortlichkeiten und Ansprechpersonen definiert sind und die Systeme in Terminbuchungs- und Fachverfahren integriert werden (kommune21.de).
-
Datenqualität und -ethik sicherstellen. Künstliche Intelligenz lernt aus Daten. Initiativen wie die urbane Datenplattform in Potsdam verdeutlichen, wie wichtig es ist, Daten miteinander zu verknüpfen und kontinuierlich zu pflegen. Gleichzeitig müssen Datenschutz und Ethik berücksichtigt werden; der dbb warnte auf seinem 2024er Kongress davor, KI zur Überwachung der Beschäftigten einzusetzen und fordert klare Leitlinien (dbb.de).
-
Mitarbeitende beteiligen und qualifizieren. Laut einer KPMG‐Analyse sind crossfunktionale Teams, die frühzeitig eingebunden werden, und Schulungen entscheidend. Nur so können Ängste abgebaut und nachhaltige Veränderungen erreicht werden (klardenker.kpmg.de).
-
Kultur des Lernens fördern. Veränderung entsteht durch Experimentieren, Feedback und gemeinsame Reflexion. Hier unterscheiden sich digitale Vorreiter von Verwaltungen, die nur Technik einkaufen.
Beteiligung der Menschen als Erfolgsfaktor
Der Erfolg von KI hängt wesentlich von den Menschen ab, die mit ihr arbeiten. Um eine positive Akzeptanz zu erreichen, braucht es:
-
Transparenz und Vertrauen. Beschäftigte müssen wissen, welche Daten erhoben werden und wofür sie genutzt werden. Der dbb betont, dass KI nicht zur Leistungsüberwachung dienen darf; stattdessen soll sie administrative Routinearbeiten übernehmen, damit Mitarbeitende sich auf komplexe Aufgaben konzentrieren können.
-
Qualifizierung. Mitarbeitende müssen Data Literacy und Fachwissen im Umgang mit KI erwerben. Studien zeigen, dass Fortbildung und begleitende Change-Management-Maßnahmen die Implementierungserfolge deutlich erhöhen.
-
Interdisziplinäre Zusammenarbeit. Teams aus IT, Fachabteilungen und Rechts- und Datenschutzbeauftragten sollten gemeinsam experimentieren und Use Cases entwickeln. Nur so lassen sich Organisationswissen und technisches Know‑how verbinden.
Fazit: KI als Teil eines umfassenden Wandels nutzen
Künstliche Intelligenz eröffnet Verwaltungen viele Möglichkeiten – von der automatisierten Terminvergabe über die datenbasierte Ressourcensteuerung bis hin zur Analyse komplexer Sachverhalte. Um diese Möglichkeiten verantwortungsvoll und wirkungsvoll zu nutzen, braucht es jedoch mehr als Technologie.
Die Veränderung von Strukturen und Kultur ist die eigentlich anspruchsvolle Aufgabe. Untersuchungen zur digitalen Transformation betonen, dass Organisationen lernen müssen, Prozesse neu zu denken, Zuständigkeiten zu klären und Daten strategisch zu nutzen. Projekterfahrungen aus den Kommunen zeigen: Wenn Voicebots nur als digitale Schicht auf bestehende Serviceprozesse aufgesetzt werden, bleiben sie hinter den Erwartungen zurück. Werden hingegen Prozesse standardisiert und Mitarbeitende beteiligt, schafft KI echten Mehrwert.
Mein Plädoyer lautet daher: Verwaltungen sollten KI als Werkzeug zur Unterstützung ihrer Ziele verstehen, nicht als Wundermittel. Erfolgreich wird, wer Digitalisierung als Organisationsentwicklung begreift, experimentierfreudig bleibt und konsequent in Menschen, Prozesse und Daten investiert.